Nördlinger Ries

Geologische Exkursion

Ch. Lindenbeck, R. Pflug & H. Ulmer


Der Turm (Daniel) der St. Georgskirche in Nördlingen auf einer Darstellung aus dem Jahr 1822 (120 kb GIF)

Impressionen Juni 96 (Photos von P. Ambs)


Steckbrief des Meteoritenkraters Nördlinger Ries

(Angaben variieren z. T. stark in der Literatur)

Entspräche die gesamte bisherige Erdgeschichte von ~4600 Millionen Jahren (Ma) 365 Tagen, hätte das Riesereignis vor 14,7 Ma (im Obermiozän) vor einem Tag und 4 Stunden stattgefunden.

  • Datierung: 14,7 Ma (K-Ar Alter von Glaseinschlüssen)
  • Flugrichtung: Von Westen kommend, flache Flugbahn
  • Kosmischer Körper: Im wahrscheinlichsten Fall ein Steinmeteorit
  • Geschwindigkeit: 90.000 km/h, 25 km/s
  • Grösse: 0.5 - 1 km Durchmesser
  • Druck-Temperatur-Bedingungen: 0,5 - 5 Millionen bar, 20 000 Grad Celsius
  • Äusserer Kraterrand: 24-25 km Durchmesser
  • Zentraler Krater (kristalliner Wall): 12 km Durchmesser
  • Durchschlagenes Deckgebirge: 600 m mächtiges Mesozoikum
  • Grundgebirge: Bis in Tiefen von 5 - 6 km zerrüttet
  • Vergleich: 100mal stärker als bekannte Erdbeben

    Ursprüngliche Deutung: Vulkanische Gas- oder Wasserdampfexplosion, Förderung von Tuffen. Tertiärer Vulkanismus in der Region nicht selten (Uracher Vulkangebiet). Es gab auch Theorien über eine glaziale Entstehungsgeschichte.

    Kriterien zur Identifikation von Impaktstrukturen:
  • Coesit / Stishovit (1960 im Ries entdeckt)
  • Planare Elemente (Deformationsstrukturen) im Quarz
  • Shatter-cones (Kegelförmige Bruchflächen)
  • Diamanten (1995 im Suevit gefunden)

    Die Impaktgesteine:

    Suevit (Schwabengestein): Tuffähnliches, poröses Gestein mit röhrenartigen Hohlräumen, die durch Entgasungsprozesse entstanden sind. In der Grundmasse aus Glaspartikeln, Mineralbruchstücken und Montmorillonit (Tonmineral) finden sich verschiedene Einschlüsse, die meist kleiner als 30cm sind: Stosswellenbeanspruchtes Kristallin (Amphibolit, Gneis und Granit) und untergeordnet Sedimente (meist Malmkalke); Kennzeichnend ist ein unterschiedlicher, aber immer hoher Glasgehalt im Unterschied zu den Polymikten Kristallinbreccien. Typisch sind aerodynamisch geformte Glasbomben, die sogenannten "Flädle". Suevit enthält Diamanten deren Grösse im nm-Bereich liegt. Sie sind z. T. verwachsen mit Siliziumkarbid, was auf eine Entstehung aus der Gasphase hindeutet. In anderen Kratern wurden Diamanten gefunden, deren Entstehung auf die Wirkung der Schockmetamorphose im Gestein zurückgeführt wird. Der Suevit überlagert in der Regel die Bunten Trümmermassen. Vorkommen bis 32 km vom Kraterzentrum in einzelnen bis zu 1 km2 grossen Komplexen.

    Bunte Trümmermassen: Auswurfmassen mit Komponenten aller im Kraterbereich anstehenden Gesteine. Sedimentäres Deckgebirge (>90%), wie z. B. Keupertone und Jurakalke; untergeordnet kristallines Grundgebirge. Vertreten sind alle Grössenordnungen vom Gesteinsstaub bis zu Schollen von 1 km Durchmesser (allochtone Blöcke). Das kleinstückige Gemenge wird als Bunte Breccie bezeichnet. Die Bunten Trümmermassen enthalten keine Schmelzprodukte, wie z. B. Gläser. Die Komponenten haben eine niedrige Stosswellenbeanspruchung erfahren. Die ursprünglich zusammenhängende Decke der Bunten Trümmermassen breitet sich heute noch bis in eine Entfernung von 37 km vom Kraterzentrum aus. Im Krater finden sich die Bunten Trümmermassen zwischen dem kristallinen Wall und dem Kraterrand. Mächtigkeit bis 80 m, in verfüllten Tälern bis 200 m.

    Polymikte Kristallinbreccie: Überwiegend aus Grundgebirgsmaterial zusammengesetzter Impaktgesteinstyp mit feinkörniger Grundmasse aus zerriebenem Grundgebirge. Neben den Kristallinkomponenten sind auch blasige Gläser enthalten. Vorkommen: In verzweigten Gängen, als Einlagerung in oder zwischen dislozierten Schollen. Die Bildung der Polymikten Kristallinbreccie wird einer frühen Phase des Impaktgeschehens zugeordnet.


    Stichworte zu einigen Aufschlüssen:

    Westlich des Rieses

    Heldenfinger Kliff: Steilküste der Oberen Meeresmolasse, Brandungshohlkehle, Löcher von Bohrmuscheln (Pholas) in Jurakalken. Alter: ca. 25 Ma.

    Steinheimer Becken (Burgstall): Zeitgleich mit dem Riesereignis hat ein weiterer Impakt eines kosmischen Körpers die Malmkalke bei Steinheim durchschlagen. Das Steinheimer Becken hat einen Durchmesser von ca. 3 km. Der Aufschluss Burgstall liegt am südlichen Kraterrand. Aufgeschlossen sind die Primäre Beckenbreccie sowie allochtone (transportierte) und autochtoner (nicht transportierte) Kalke des Malms.

    Im Ries

    Alte Bürg: Südwestlicher Riesrand. Im Steinbruch wurden Bausteine für die mittelalterliche St. Georgskirche, Teile der Stadtmauer und andere Gebäude gewonnen. Der Suevit ist durch Malmkalkschollen begrenzt. Lange wurde der Aufschluss als Beweis für die vulkanische Entstehung des Rieses (Schlot) angeführt. 20 Bohrungen erreichten die unterlagernden Bunten Trümmermassen; der Suevit setzt sich nicht schlotförmig in die Tiefe fort.

    Der Daniel, das Wahrzeichen Nördlingens:
    Der Baustein des Daniels ist im Suevit-Steinbruch 'Alte Bürg' gewonnen worden. Heute sind längst nicht mehr alle Bausteine Originale. Der Suevit ist sehr verwitterungsanfällig und an vielen Stellen durch einen ähnlich aussehenden Kunststein ersetzt worden. Ein sicheres Kriterium für den ursprünglichen Suevit sind die sogenannten Flädle: Fetzen der glasigen Schmelze, die im Flug aerodynamisch geformt wurden.

    Ofnethöhlen: Besiedlung bereits in mittlerer Altsteinzeit (40 000 a). Gefunden wurden 33 Menschenschädel und Grabbeigaben: 4000 gelochte Schnecken, 200 durchbohrte Hirschzähne (Schmuck?).
    Villa rustica: Römischer Gutshof von Holheim. Hinter dem Limes im Ries, 1. Jh., 5-6 Generationen, bis zum 3. Jh. (alemannische Stürme).

    Otting: Suevit Steinbruch. Shoemaker und Chao fanden im Suevit aus diesem Aufschluss die Quarzmodifikationen Stishovit und Coesit (im Gelände nicht zu erkennen). Damit wurde erstmals der Beweis für einen Meteoriteneinschlag erbracht.

    Steinbruch am Büschelberg bei Hainsfarth: Tertiärer Riesseekalk: Massige Kalkstotzen (bis 5 m Höhe) aufgebaut von Grünalgen (Characeen und Cladophoriten) und Cyanobakterien. Häufig finden sich Wasserschnecken (Hydrobia), eingeschwemmte Landschnecken (Cepaea) und Ostracoden (Cypris).

    Suevitbruch Aumühle bei Oettingen: Suevit im Kontakt zur Bunten Breccie. Die einzelnen Schollen der Bunten Breccie bilden ein stark gegliedertes Relief auf dem der Suevit zur Ablagerung kam.

    Unterwilfingen: Zertrümmertes Kristallin (Granite, hell und Gneise, dunkel), von flach einfallender (präriesischer?) Scherfläche durchschnitten. Brecciiertes Kristallin mit gangartiger grünlichgelber polymikter Kristallinbreccie (darin verwittertes, blasiges Glas in kleinen Bruchstücken). Darüber direkter Kontakt zur Bunten Breccie (aus Keupertonen, -sandsteinen und dunklen Juratonen).

    Sandgrube Wengenhausen: Zerrüttetes Kristallin (Granit, Gneis, Amphibolit), dazwischen gangartig feinkörnige Kristallinbreccien. Schöne shatter-cones. Im Hangenden Riesseekalke.

    Östlich des Rieses

    Steinbruch Gundelsheimer Marmorwerk: Entfernung zum Kraterzentrum: 25 km, zum Kraterrand: 8 km. 10 m Bunte Trümmermassen: In tonig-sandiger Grundmasse Grundgebirgs-Bruchstücke, Sandsteine und Tone aus dem Keuper, Jura-Kalke, tertiäre Tone und Braunkohle.
    Schliff-Fläche auf dem Werkkalk Malm Delta.


    Sehr empfehlenswerter Ausgangspunkt für Exkursionen ist das Rieskrater Museum in Nördlingen: Hintere Gerbergasse 3, Tel. 09081 84 143

    Weiterführende Literatur zum Nördlinger Ries

    Externe Empfehlung:

    Lokal gespeicherte Auszüge aus 'Views of Terrestrial Craters'

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