Das Logische, das Physische und das Dynamische |
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Am Anfang war HTML - und deshalb ist es zur Gewohnheit geworden, Web-Publishing im wesentlichen mit der Beherrschung der HTML-Sprache gleichzusetzen.
Doch mittlerweile sind einfach viel zu viele Wünsche geäußert worden, die HTML nicht befriedigen kann. Es stellte sich heraus, daß HTML eine wichtige Basis ist, aber keine Allround-Lösung. So ist beispielsweise eine Überschrift 1. Ordnung in HTML schnell notiert, aber wie zum Teufel sagt man dem Browser, daß er die Überschrift in einer anderen als der voreingestellten Schrift darstellen und bitteschön etwas mehr Abstand zum Text davor lassen soll? Und warum kann man in HTML zwar eine Grafik einbinden, aber nicht bewirken, daß diese sich optisch verändert, wenn der Anwender mit der Maus darüber fährt.
Kleinigkeiten sind das, wenn Sie so wollen. Aber versuchen Sie es mal so zu sehen: HTML hat zwei charakteristische Eigenschaften, die zugleich Defizite darstellen. HTML ist erstens eine logische Sprache und keine Formatiersprache, und zweitens ist HTML eine statische Auszeichnungssprache und keine Programmiersprache, in der man Abläufe oder Interaktionen mit dem Anwender programmieren kann. Mit HTML kann man Dokumentstrukturen, also Elemente wie Überschriften, Absätze, Listen, Tabellen, Grafikreferenzen oder Formulare definieren. Aber man kann weder genau angeben, wie diese Elemente genau aussehen und wie genau sie positioniert werden sollen, noch kann man angeben, wie sich diese Elemente etwa durch Anwenderereignisse wie Mausaktionen verändern können.
Genau das sind aber Probleme, mit denen viele aktive Anwender, die selbst Web-Seiten erstellen wollen, zu kämpfen haben. Web-Seiten, die in kreativen Köpfen vor dem inneren Auge entstehen, bestehen nicht nur aus Strukturen, sondern auch aus Farben und Formen, aus Elementen, die sich bewegen, und aus Dingen, die durch Interaktion mit dem Anwender passieren. Solche Wünsche müssen auf die Dauer befriedigt werden, wenn HTML nicht wieder ins Abseits der EDV-Geschichte geraten will.
Bevor Technologien wie ActiveX oder auch Java-basierte Lösungen, die nur noch Programmierern zugänglich sind, zum Standard für Web-Seiten werden, ist es besser, Sprachen ähnlich wie HTML zu entwickeln, die kein Geheimnis aus ihrem Quelltext machen und gerade durch die "Abguckmöglichkeit" zur weltweiten Know-How-Verbreitung beitragen. Denn nur durch die Verbreitung des Know-Hows sind unabhängige Sprachen wie HTML die heute einzige ernstzunehmende Alternative zu firmenspezifischen Lösungen von Großkonzernen wie Microsoft.
Mittlerweile zeichnen sich entsprechende Lösungen auch ab. Wichtig ist jetzt nur, daß sie auch zum Einsatz kommen.
Diese Ergänzung zu HTML ist mittlerweile etabliert und standardisiert: mit Hilfe der CSS Style-Sheets können Sie HTML-Elementen sagen, wie diese genau auszusehen haben. Der Ergänzungseffekt, den die CSS-Sprache leistet, kann gar nicht unterschätzt werden: erst dadurch wird HTML "erwachsen" und befreit sich aus dem permanenten Gestaltungsnotstand, den es unter Web-Designern lange Zeit verursachte. Erst durch die CSS Style-Sheets kann HTML ernsthaft mit herkömmlichen Textverarbeitungs- und DTP-Formaten konkurrieren.
Die Ehre der Erfindung einer Programmiersprache, die sich direkt in HTML einbinden läßt und es erlaubt, Web-Seiten zu kontrollieren und während der Anzeige zu verändern, gebührt Netscape. Mit der Version 2.0 des Netscape-Browsers kam JavaScript auf den Markt. Leider hat es Netscape jedoch versäumt, die Sprache frühzeitig auf alle Elemente einer HTML-Datei anwendbar zu machen. Genau das aber ist der einzige Sinn und Zweck einer solchen Sprache. Mittlerweile ist dies erkannt worden. Noch gibt es viele Probleme mit dem Erstellen echter dynamischer Web-Seiten, doch es zeichnet sich ab, daß es auch dafür bald einen Standard geben wird.
Wenn Sie Hegel kennen oder den Trinitätsgedanken der christlichen Lehre verinnerlicht haben, werden Sie feststellen, daß es Parallelen zu dem Dreigestirn aus HTML, CSS und Scriptsprachen gibt. Falls Sie sich nicht trauen, diese Parallelen anzuerkennen, dann trauen Sie sich doch einfach mal! Das ist keine Abwertung abendländischer Werte, sondern eine moderne Form, sich mit Archetypen des Denkens auseinanderzusetzen. Denn was zur Zeit in der ganzen Hektik rund um künftige Standards des Web-Publishings passiert, läßt sich durchaus mit "alten Gedanken" in Verbindung bringen. Das, was wir uns vorstellen, was dann noch fehlt und was wir uns schließlich als das Perfekte wünschen, folgt nun mal immer den gleichen Grundmustern.
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